Wir alle kennen sie: die Momente, in denen sich im Arbeitsalltag Emotionen anstauen – weil wir uns übergangen, ungerecht behandelt oder schlichtweg nicht gesehen fühlen. Oft werden diese Gefühle unterdrückt, bis sie plötzlich und heftig an die Oberfläche brechen. Dann ist der Schock groß – bei einem selbst und bei allen anderen.
Doch haben Gefühle im Job überhaupt einen Platz? Und wie sollte damit umgegangen werden?
Stellen wir uns folgende Situation vor:
Sarah arbeitet seit drei Jahren im selben Team. Sie ist gewissenhaft, engagiert, aber eher zurückhaltend. In letzter Zeit hat sie das Gefühl, dass ihre Vorschläge im Teammeeting kaum Gehör finden. Immer sind es die lauteren Stimmen, die sich durchsetzen. Die Stimmung in ihr kippt langsam – erst in Enttäuschung, dann in Frust. Statt offen darüber zu sprechen, beginnt Sarah sich zurückzuziehen. Ihre E-Mails klingen zunehmend passiv-aggressiv, sie kommentiert Beiträge anderer mit einem spitzen Unterton. Im Team fällt das auf, wird aber ignoriert – bis zum wöchentlichen Jour Fixe.
Dort eskaliert die Situation. Als ihr Kollege Paul einen Vorschlag macht, den Sarah vor zwei Wochen bereits ohne Resonanz eingebracht hatte, platzt der sonst so stillen Frau der Kragen. Sie wirft Paul vor, sich mit fremden Ideen zu schmücken – und dem Team, sie systematisch zu übergehen. Tränen steigen ihr in die Augen. Es wird still im Raum. Der Teamleiter wirkt überfordert. Paul versteht die Welt nicht mehr und die Stimmung kippt endgültig. Kann aus dieser verzwickten Situation noch etwas Positives entstehen, oder ist es besser für Sarah, sich von dieser Arbeitsstelle zu trennen?
Definitiv: Ja!
Emotionen sind nie das Problem, sondern ein Symptom und ein natürlicher Teil menschlicher Kommunikation. Problematisch wird es, wenn sie nicht erkannt, benannt oder bearbeitet werden.
In vielen Unternehmen herrscht noch das unausgesprochene Ideal der „emotionslosen Professionalität“. Es gilt: wer sachlich bleibt ist kompetent. Doch das ist eine gefährliche Illusion. Emotionen verschwinden nicht, wenn wir sie unterdrücken. Sie wandeln sich – in Zynismus, Rückzug oder unkontrollierte Ausbrüche.
1. Für Führungskräfte: Emotionen als Frühwarnsystem erkennen
Achten Sie auf subtile Veränderungen im Tonfall, Verhalten oder Engagement einzelner Teammitglieder.
Schaffen Sie Räume für ehrliche Gespräche, z. B. durch regelmäßige 1:1-Gespräche, in denen auch Emotionen ihren Platz haben.
Intervenieren Sie frühzeitig, wenn sich Spannungen andeuten – bevor sie eskalieren.
2. Für Kolleg:innen: Empathie statt Bewertung
Wenn jemand emotional reagiert, ist das meist ein Ausdruck eines Bedürfnisses, das lange ignoriert wurde.
Statt mit Abwehr oder Rechtfertigung zu reagieren: Hinhören. Nachfragen. Verständnis zeigen.
Fragen wie „Was brauchst du gerade?“ oder „Magst du mir erklären, was dich so getroffen hat?“ können deeskalierend wirken.
3. Für Betroffene: Gefühle bewusst wahrnehmen und ansprechen
Warten Sie nicht, bis das Fass überläuft. Lernen Sie, frühzeitig Ihre Bedürfnisse zu kommunizieren – in Ich-Botschaften, nicht in Vorwürfen.
Üben Sie sich in emotionaler Selbstklärung: Was genau fühle ich – und warum?
Wenn ein Gespräch schwierig ist: Bitten Sie eine neutrale Person (z. B. Führungskraft oder externe Moderation) um Unterstützung.
Gefühle sind kein Störfaktor, sondern ein wichtiger Teil unsres Mensch-seins. Teams, die lernen, offen über Emotionen zu sprechen, sind nicht nur resilienter, sondern auch kreativer und vertrauensvoller.
Eskalationen entstehen selten „plötzlich“. Wenn wir es schaffen, den emotionalen Druck in unserem Inneren frühzeitig wahrzunehmen und anzusprechen können wir Konflikte nicht nur entschärfen, sondern aus ihnen wachsen.
Tipp zum Abschluss:
Führen Sie doch mal im Team eine „Emotionale Retrospektive“ durch. Statt nur über Zahlen und Projekte zu sprechen: Fragen Sie, wie sich jeder im letzten Monat gefühlt hat und was sich verändern sollte. Sie werden überrascht sein, was alles sichtbar wird, wenn man Emotionen Raum gibt.
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